Springe zum Inhalt

Kräfteverhältnisse im Norden

Zunächst hatten die räuberischen Wikinger (Stämme aus Dänemark und Norwegen) im 9. Jhdt besonders Frankreich, Flandern und teilweise auch deutsche Städte wie Duisburg, Köln, Aachen, Trier und Hamburg und Regionen wie Friesland überfallen. Im 10. Jhdt erhielt der Wikingeranführer Rollo (Gånge Rolf) vom westfränkischen König das Herzogtum Normandie als Lehen (911). Die Normannen ließen sich taufen und integrierten sich in die angestammte Bevölkerung. Von hier aus unternahmen die Normannen ihre Eroberungen Englands (Wilhelm der Eroberer) und im Mittelmeerraum (besonders Königreich Sizilien und Kalabrien). In der Mitte des 12. Jhdts ging ihr Einfluss in England/Frankreich und im Mittelmeer dem Ende entgegen.
Der Handel im Norden Europas war durch ständige kriegerische Auseinandersetzungen empfindlich gestört worden, sodass die Kaufleute nach Lösungen suchten und sich zur gegenseitigen Hilfe verbündeten.
⇒  siehe Grafik am Ende des Beitrags

 

Kaufmannshanse und Städtebund
Im Kölner Raum hatten sich zu Beginn der Entwicklung Kaufleute zusammengeschlossen, um miteinander für mehr Sicherheit und damit mehr Profit  zu sorgen.
Lübeck wurde als erste deutsche Hafenstadt an der Ostsee gegründet (1145) und gewann mit Hamburg über den Landweg verbunden eine starke Stellung im Handel für Nord und Ostsee. So trat diese erste Städtehanse zusammen mit dem rheinischen Kaufmannsbund in Konkurrenz zu den bisher im Ostseehandel dominierenden gotländischen Kaufleuten (Visby). 1241 rüsteten Hamburg und Lübeck zusammen eine Flotte aus und gingen gemeinsam gegen Piraterie und gegen Dänemark an. Angesichts dieser Stärke schlossen sich in der Folge immer mehr Städte dem Bund an. Zur Hochzeit waren es insgesamt 85 Hansestädte, die das Bild der Städte rund um Ost- und Nordsee auch architektonisch prägten (Backsteingotik).

 

Gotland
Von Paviken und Fröjel und später von Visby aus hatten die gotländischen Kaufleute ein großes Handelsnetz gespannt, das den Ostseeraum bis nach Russland umfasste und die Nordseeanrainer bis nach Quentovic in Nordfrankreich.
Im 12. Jhdt kamen immer mehr Kaufleute aus den neu gegründeten Städten an der Ostsee und aus dem Rheinland und Westfalen auf die Insel und übernahmen mit eigenen Schiffen den Großteil des Handelsvolumens (Gemeinschaft der Gotlandfahrer 1252). Den Schutz der Kaufleute übernahm ein 1280 geschlossener Städtebund mit Lübeck, dem 1282 auch Riga beitrat. Die deutschen Händler, zum größten Teil ansässig in Visby, wurden bald zur ernsthaften Konkurrenz für die gotländischen Kaufleute, was schließlich 1288 in einen militärischen Konflikt führte.
Visby war bis zu seinem wirtschaftlichen Niedergang vollwertig in die Städtehanse involviert und wurde im 14. Jhdt zum Kopf des gotländisch-livländischen Drittels innerhalb der Hanse.
1361 wurde Visby vom dänischen König Waldemar IV. Atterdag (König 1340–1375) erobert (Schlacht von Visby).
Von 1394 bis 1398 suchten die Vitalienbrüder Schutz hinter Visbys Stadtmauern. Bis zur Vertreibung durch ein Heer des Deutschen Ordens erlangten die Vitalienbrüder von Visby aus die Seeherrschaft in der Ostsee. Insel und Stadt fielen bereits 1408 wieder an Dänemark.
Visby wurde 1525 von Truppen der Hansestadt Lübeck angegriffen.

 

Dänemark
Bis weit in das 11. Jahrhundert wurden unter anderem die Dänen, Schweden und Norweger als Wikinger bezeichnet, die in ganz Europa Kolonien gründeten und Handel trieben, aber auch ganze Länder und Landstriche plünderten und Kriege führten.
Nach einer kurzen Phase der Schwäche begann mit Waldemar I. ein erneuter Aufstieg. Große Teile der südlichen Küstenregionen der Ostsee, welche von Elb- und Ostseeslawen besiedelt wurden, fielen an Dänemark, 1219 (Kooperation mit dem deutschen Schwertbrüderorden) sogar der Norden Estlands, das damalige Livland. Der Besitz dieser Gebiete war allerdings nicht von langer Dauer, da eine Koalition aus norddeutschen Landesherren und Städten Dänemark 1227 bei Bornhöved schlugen, Estland 1346 an den Deutschen Orden verkauft wurde und Dänemark 1370 die Vorherrschaft der Hanse in der Ostsee anerkennen musste. Die dänischen Herrscher richteten ihren Blick nun nach Norden: 1397 wurden Dänemark, Norwegen, Island, Schweden und Finnland in der Kalmarer Union vereint, die unter dänischer Vorherrschaft stand. Der Verbund existierte, bis 1523 Schweden seine Unabhängigkeit zurückerlangte.

 

Kalmarer Union
von 1397 bis 1523 bestand die Vereinigung, in der die Königreiche Dänemark, Norwegen und Schweden zusammengeschlossen waren. Sie entwickelte sich zu einer starken Kraft in der Zeit und baute ihren Einfluss nach Osten (Nowgorod/Russland und Karelien), nach Süden (Baltikum und Polen-Litauen) und nach Westen aus (Schleswig, Oldenburg und Vechta). Im Verlauf der Zeit kam es zu ständig neuen Bündnissen und kriegerischen Konflikten mit Erfolgen und Verlusten auf allen Seiten.

 

Schweden
Nach dem endgültigen Zusammenbruch der Kalmarer Union wurde 1523 Gustav I. Wasa zum König gewählt. 1544 schloss sich Schweden der Reformation an.
Von 1611 bis 1613 kam es zum Krieg zwischen Dänemark und Schweden. Nach dem Sieg der Dänen musste Schweden die Finnmark an Norwegen abgeben, das unter dänischer Herrschaft stand. Später ergriff Gustav II. Adolf Partei im Dreißigjährigen Krieg und eroberte weite Teile Norddeutschlands. Im Westfälischen Frieden erlangte Schweden 1648 große Küstengebiete auf dem Boden des Heiligen Römischen Reichs. Ein jähes Ende fanden die Großmachtträume unter Karl XII., der im Großen Nordischen Krieg von den Russen und den Dänen geschlagen wurde. Schweden musste daraufhin seine Besitzungen im Baltikum abgeben.

 

Das Heilige Römische Reich
Der Dachverband über zahlreiche Territorien und deren Landesherren mit dem Kaiser an der Spitze war seit der Reformation nur ausnahmsweise einflussreich. Gleiches gilt für die römische Papstkirche, die im frühen Mittelalter im gesamten Gebiet mit zunehmendem Erfolg missioniert hatte, nun aber dem Verfall des Katholizismus im nördlichen Europa zusehen musste (besonders in England, Skandinavien, Deutschland, Holland). Als sie Maßnahmen der Rekatholisierung der protestantischer Territorien ergriff, führte das im Zusammenspiel mit einer Reihe weiterer Faktoren zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 – 1648.

Kriege im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges:

  • Livländischer Krieg (1558–1583) - Erster Nordischer Krieg
  • Polnisch-Schwedischer Krieg (1600–1629)
  • Böhmisch-pfälzischer Krieg (1618–1623)
  • Wiederbeginn des Achtzigjährigen Krieges (1621)
  • Dänisch-niedersächsischer Krieg (1623–1629)
  • Schwedischer Krieg (1630–1635)
  • Schwedisch-Französischer Krieg (1635–1648)
  • Westfälischer Friede (1648)
  • Schwedisch-Polnische Krieg (1655–1660) - Zweiter Nordischer Krieg
  • Großer Nordischer Krieg (1700–1721) - Dritter Nordischer Krieg

 

Der Deutsche Orden
Ab 1225 hatte der Orden, der seinen Anfang während der Kreuzzüge in Akko hatte, sich bereit gefunden, sich an der Unterwerfung der Prußen zu beteiligen und begründetete so die Staaatsbildung Preußens. In der Folge wurde der Deutschordensstaat gegründet. Ab 1309 nahm der Orden seinen Hauptsitz in der Marienburg.
Unter dem 25. Großmeister des Ordens Konrad von Jungingen griff der Deutsche Ritterorden 1398 die Piraten der Ostsee an, die sich in Visby verschanzt hatten und nach wie vor den Ostseehandel unsicher machten.
Unter Konrad von Jungingen erreichte der Ordensstaat seine größte territoriale Ausdehnung sowie in wirtschaftlicher Hinsicht die höchste Blüte.
Wenige Jahre später stellte sich sein Bruder und Nachfolger auf dem Stuhl des Hochmeisters mit einer Streitmacht von mehr als 10000 Kriegern in der Tannenbergschlacht der polnischen Übermacht entgegen und fiel in der Schlacht.
1457 wurde die Marienburg an den König von Polen verkauft.

Erinnerungsplakette für die beiden Großmeister von Jungingen

 

Piraten
Unter den Piraten des 14. Jahrhunderts sind die Vitalienbrüder oder Likedeeler (plattdeutsch: Gleichteiler), wie sich die Piraten selbst nannten, die berühmtesten. Ein Jahrzehnt lang trieb diese Bruderschaft ihr Unwesen, ehe die Hanse ihre Anführer Klaus Störtebeker und Gödeke Michels 1400/1401 in zwei großen Operationen besiegte.
Entstanden waren die Vitalienbrüder in den Wirren des Streits um die Krone in Skandinavien.
Aus verarmten Adligen und Verbannten wurde eine schlagkräftige Freibeuter-Truppe rekrutiert, der sogenannte Kaperbriefe ausgestellt wurden. Die erbeuteten dänischen Waren durften die Kapitäne frei auf den Märkten der Hansestädte Rostock und Wismar verkaufen.
Bis ins 17. Jahrhundert hinein blieben die Auseinandersetzungen mit Schweden bestimmend, da beide Königreiche um die Oberherrschaft in Skandinavien und im baltischen Raum kämpften.
Im Frieden von Skanör und Falsterbo legten Mecklenburg und Dänemark sowie die Hanse und der Deutsche Orden, die zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Interessen ebenfalls in den Konflikt eingegriffen hatten, die Streitigkeiten im Jahr 1395 bei. Die Kaperbriefe der Vitalienbrüder waren nun wertlos - die Freibeuter hatten ihr "legales Einkommen" verloren.
1398 belagerte die Flotte des Deutschen Ritterordens in Allianz mit den Lübeckern Visby und vertrieb die Piraten von dort, die nun auf eigene Faust Schiffe kaperten und in die Nordsee auswichen.
Die Hanse hatte im April 1400 elf "Friedenskoggen" (Fredekoggen) ausgerüstet mit 950 Bewaffneten an Bord. So fuhren sie in Richtung Emsland. Als sie auf die Vitalienbrüder trafen kam es zu einem Seegefecht, in dem 80 Piraten getötet wurden. 25 weitere wurden gefangen genommen und am 11. Mai 1400 in Emden hingerichtet.
Ein Teil der Piraten verlagerte erneut seinen Aktionsraum: Herzog Albrecht von Holland nahm einige der Hauptleute auf und stellte ihnen Kaperbriefe aus. Unter ihnen soll auch ein gewisser "Johan Stortebeker" gewesen sein, der mit seinen Männern vor Helgoland auf Beutezug ging. Er wurde 1401 gefangen.
1402 wurde auch Gödeke Michels gestellt und hingerichtet.

 

England
England versuchte Mitte des 15. Jhdts die Vorherrschaft der Hanse im Ostseehandel zu brechen und die Märkte für sich zu öffnen.
1447 entzog König Heinrich VI. der Hanse alle Privilegien. Zwei Jahre später kaperten die Engländer eine hanseatische Flotte. Dabei verlor Lübeck 16 und Danzig 14 große Schiffe. Nach mehreren Waffenstillstandsvereinbarungen und ergebnislosen Friedensverhandlungen in Hamburg brach 1469 nach dem Sturm der Engländer auf die Niederlassung der Hanse in London (Stalhof) brach ein 5jähriger Krieg zwischen Hanse und England aus bis die Hanse 1474 im Frieden von Utrecht ihre Ziele erreichte. Sie erlangte ihre Rechte und Privilegien in England wieder, erhielt den Stalhof in London und ihre Niederlassungen in Boston und Lynn zurück und wurde entschädigt.

Grafik: W. Giesers