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Kräfte ums Mittelmeer

Grafik: © W. Giesers

 

Viele Mächte, Völker und Kulturen haben sich unauslöschbar in die Geschichte der Mittelmeeranrainer eingeschrieben, was bis heute auch an ihrem architektonischen Erbe überall ums Mittelmeer herum abzulesen ist.

Antike Tempel, Kirchen, Syagogen, und Moscheen, Festungsanlagen und Paläste, Häfen und mittelalterliche Stadtkerne erzählen von den jeweiligen Kräfteverhältnissen und vom Leben der Menschen auf oft überwältigende Weise, die uns staunen lässt.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches blieb ein Machtvakuum, in das hinein die stärksten und dynamischsten Kräfte der Zeit strebten. Das Byzantinische oströmische Reich versuchte zunächst, den Niedergang des weströmischen Reiches zu verhindern und stand, als dies nicht gelungen war, als Erbe der Gebiete und Rechte bereit. Daneben erstarkte eine neue Konkurrenz im Mittelmeerraum, die angetrieben von ihrem jungen Glauben, dem Islam, über mehr als tausend Jahre das Geschick dieser Region bis in die Neuzeit bestimmen und beeinflussen würde.

Belagerung und Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmet II. - Bild: Fausto Zonaro - 1903 / Wikimedia / Public Domain (Licht verändert)

Die arabisch-islamische Expansion

Ungefähr im Jahr 613 begann Mohammed öffentlich aufzutreten und wurde zum Begründer einer neuen Religion. Bald konnte er einige arabische Stämme gewinnen und war in militärischen Aktionen erfolgreich. In der Folge wurde der Einfluss auf eine Reihe von Ländern ausgedehnt und dann auch durch Handel mit den Nachbarn und weltweit gestärkt.

Das Osmanisches Reich

Das Osmanische Reich war das Reich der Dynastie der Osmanen von ca. 1299 bis 1922. (Türkisches Reich / Ottomanisches Reich)

  • Die größte Ausdehnung erreichte es im 17. Jhdt., obwohl die Reconquista die Mauren aus Spanien und Portugal schon verdrängt hatte, nachdem 700 Jahre der Besatzung vergangen waren.
  • In Italien und Frankreich waren die muslimischen Besetzungen schon früher zurückgewonnen worden durch Allianzen der christlichen Kräfte.

Das Byzantinische Reich

Das Byzantinische Reich entstand in der Spätantike nach der so genannten Reichsteilung von 395 aus der östlichen Hälfte des Römischen Reiches und fiel nach über tausendjähriger Geschichte 1453 mit der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen.

  • Zentrum war das von Konstantin dem Großen gegründete Konstantinopel.
  • Die größte Ausdehnung erreichte es um 550 als das weströmische Reich untergegangen war und Byzanz das Erbe antrat und kriegerisch verteidigte.
  • Durch die Perser geriet das Reich im 7. Jhdt erneut unter Druck, konnte sich zwar behaupten, wurde aber insgesamt so geschwächt, dass es den durch ihren neuen muslimischen Glauben angetriebenen Arabern wenig entgegenzusetzen hatte. In der Schlacht am Jarmuk am 20. August 636 unterlagen die Oströmer einem Heer des zweiten Kalifen Umar ibn al-Chattab und verloren in der Folge große Gebiete ihres Reiches, während Umar Jerusalem einnahm und an die staatliche Organisation seines arabischen Reichs ging.
  • Es gab in der Geschichte weitere Blüten für das Byzantinische Reich aber auch wiederholte Besetzungen, Gebietsverluste und Rückeroberungen. Zuletzt konnte das auf die Stadt Konstantinopel geschrumpfte Reich der Belagerung durch die Türken nicht mehr widerstehen und fiel endgültig an die türkischen Invasoren.

Das Heilige Römische Reich

Kaiser Friedrich II. Briefmarke zum 800. Geburtstag

Das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) bildete sich in der Mitte des 10. Jhdt mit der Kaiserkrönung Otto I. heraus und war besonders zur Zeit des Stauffer-Kaisers Friedrich II., der gleichzeitig König der beiden Sizilien und der Kreuzfahrerstaaten war, ein bedeutsamer Machtfaktor am Mittelmeer. Anfang des 19. Jhdts endete das Reich nach fortgeschrittenem Verlust seiner Macht mit der Niederlegung der Krone.

Der Kirchenstaat

Der Kirchenstaat war immer schon mittendrin im Machtpoker. Als weltlich-politisches Herrschaftsgebiet des Papstes war er seit 756 durch die Pippinsche Schenkung dem Papst zugefallen.

  • Die Kaiserkrönung von Pippins Sohn Karl dem Großen durch Papst Leo III. am Weihnachtstag 800 kann mehr oder weniger als Gründungszeitpunkt des Heiligen Römischen Reiches als Nachfolger des antiken Römischen Reiches gelten; zugleich begründete diese Krönung auch die besondere Schutzbeziehung zwischen dem Karolingerreich und dem Kirchenstaat. Eine Win-Win-Strategie, wie wir heute sagen.
  • 1213 erkannte Kaiser Friedrich II. in der Goldbulle von Eger den Kirchenstaat offiziell an, woraus allerdings keine dauerhafte Freundschaft wurde. Auf dem Konzil von Lyon 1245 wurde Kaiser Friedrich für abgesetzt erklärt. Der Machtkampf zwischen weltlichem und geistlichem Oberhaupt nahm skurile Formen an. Die päpstliche Propaganda verteufelte Friedrich als Kirchenverfolger und Ketzer, Atheisten, Antichrist oder als Bestie der Johannes-Apokalypse.

Die vier großen Seerepubliken

Markuslöwe am Stadttor in Motovun - © Rolf-Handke_pixelio.de

Die Republik Venedig war vom 7./8. Jahrhundert an bis 1797 eine starke See- und Wirtschaftsmacht mit einem ausgedehnten Kolonialreich und Einflussbereich um das Mittelmeer herum. Das Zeichen ihres Machanspruchs, der Markuslöwe ist überall zu finden. Während Venedig etwa 180.000 Einwohnern hatte, lebten in seinem Kolonialreich rund zwei Millionen Menschen.

  • Die Schlacht von Agnadello am 14. Mai 1509 verlor Venedig gegen den französichen König Ludwig XII und seine Verbündeten.
  • 1571 kämpfte es im Rahmen der Heiligen Liga in der Seeschlacht von Lepanto mit, die für die Osmanen zwar verloren ging, wonach sie ihre Kräfte aber bald erneut aufstellen konnten.

Die Republik Genua hatte sich bereits im 10. Jhdt vom Heiligen Römischen Reich unabhängig gemacht und war zur Kolonialmacht erstarkt.
Um 1300 erobert die aus Genua vertriebene Familie Grimaldi die neapolitanische Festung Monaco und setzt sich dort erfolgreich fest bis in unsere Tage.

Die Republik Pisa tat sich früh und besonders im 12. Jhdt mit einer großen Kriegsflotte hervor und blieb mit anderen siegreich im Balearenkrieg gegen die muslimische Besatzung Mallorcas (1115). Sie benutzte nach der Versandung ihres eigenen Hafens Livorno als ihr Tor zur Welt, das unter der Herrschaft der Medici als Vorposten Pisas ausgebaut wurde.

Die Republik Amalfi (Herzogtum) konnte sich im 11. Jhdt aus der Oberhoheit des byzantinischen Reiches lösen und wuchs zu einer Wirtschaftsmacht heran, deren Kaufleute den Handel in Italien und rund um das Mittelmeer ein Jahrhundert lang dominierten, bevor die Normannen die Regierung übernahmen.

Die Ritterorden

Ulrich von Rambschwang, Epitaph © Gun Powder Ma CC BY-SA 3.0 Lizenz - (Licht und Farbe geändert)

Die Ritterorden und unter ihnen besonders die Johanniter waren ein ernstzunehmender Machtfaktor im Mittelmeer bis hin zu der Feststellung, sie seien die Speerspitze Europas gewesen im Kampf gegen die arabische und osmanische Expansion.
Als Kreuzritterorden hatten sie während der Kreuzzüge die Pilgerwege geschützt und die Handelsbeziehungen im Mittelmeer abgesichert. Nachdem die Kreuzfahrerstaaten verloren waren, verlagerten sich ihre Aufgaben und so wurden sie immer mehr zum Bollwerk gegen die Angriffe von Piraten und osmanischen Besatzungsheeren. Besonders der Johanniterorden, dem Kaiser Karl V. 1530 die Inseln Malta und Gozo sowie das 1509 von Spanien eroberte Tripolis als Lehen übergab, taten sich mit ihren Galeren hervor in der Verteidigung Europas (Malteser).
(Ulrich von Rambschwang war 1565 an der Verteidigung Maltas beteiligt. Auf seinem Epitaph aus der Deutschhauskirche in Würzburg wird er als Sieger über die Osmanen dargestellt.)